Freitag 19. September 2025

Für wen haltet ihr mich? Petrus und Jesus revisited

Sozialpredigt   zum 13. So i. Jk (29.6.2025), Hl. Petrus u. Paulus, Apostel,

Lesejahr C, Mt 16,13-19
Autorin: Maria Prieler-Woldan

 

In der katholischen Kirchenkunst erkennen wir die Heiligen an ihren Attributen. Barbara mit dem Turm, Laurenz mit dem Rost, Petrus mit dem Schlüsselbund. Während die ersten beiden Heiligengeschichten auf Legenden beruhen, steht die Petrus-Erzählung immerhin in der Bibel, im Evangelium nach Matthäus. Jesus selbst hat Petrus als den Felsen erwählt, auf dem er seine Kirche baut, und ihm die Schlüssel für das Himmelreich gegeben, so haben wir es gehört. Diese Schlüsselgewalt hat sich in der katholischen Tradition über Jahrhunderte hin reich entfaltet, bis hin zu einigen problematischen Auswüchsen.

 

Nur: Im Evangelium steht zwar das Messiasbekenntnis von Petrus, ursprünglich aber nicht diese Antwort Jesu von Fels, Kirche und Schlüssel. Zumindest nicht in den ältesten Manuskripten. Es ist ein späterer Einschub, um die Autorität des Bischofs von Rom als Nachfolger von Petrus zu begründen und zu stärken. Das hat der katholische Theologe Joseph Schnitzer schon 1910 festgestellt. Er verlor daraufhin seine Lehrbefugnis an der theologischen Fakultät in München und wurde schließlich sogar exkommuniziert. Schnitzer nahm also symbolisch Petrus den Thron und den Schlüsselbund weg, und die katholische Autorität nahm real ihrem Theologieprofessor Schlüssel und Lehrstuhl weg.

 

Was bleibt also, biblisch begründbar, von der besonderen Erwählung von Petrus? Nicht nur sein Felsen bröckelt. Dass Jesus am Abend vor seinem Leiden ein dreistufiges Amt von Diakon, Priester und Bischof „eingesetzt“ habe, wird zwar da und dort noch verkündet und liturgisch gefeiert, hält aber auch keiner aktuellen historisch-kritischen Bibelwissenschaft mehr stand.(1) 

Selbst das Priesteramt steht also infrage, heutzutage auch ganz grundsätzlich. Braucht die katholische Kirche überhaupt Priester? Der emeritierte Neutestamentler Martin Ebner, selbst Priester der Diözese Würzburg, weist nach(2), dass bis zum frühen 3. Jh. n. Chr. Priester in christusgläubigen Gemeinden keine Funktion hatten. Das Mahl in Erinnerung an Jesus feierten die Getauften in ihren jeweiligen Gemeinschaften vor Ort, als eine Bewegung von Laien und Laiinnen. Das führte zwar auch zu Debatten über die Eucharistie, aber sie wurden noch nicht durch ein letztes hierarchisches Wort beendet. Die Frage: „Wer ist Petrus?“ führt uns also weiter zur entscheidenden Frage: „Wer ist Jesus?“.
Diese Frage wird in der Bibel in Cäsarea Philippi angesiedelt, wo König Herodes (und nach ihm sein Sohn Philippus) residierte. Er paktierte mit der römischen Besatzungsmacht, die das Land und seine Bewohner:innen derart ausbeutete, sodass viele nicht das Nötigste zum Leben hatten. So wird die drängende Hoffnung verständlich, dass ein anderer König kommen soll, ein messianischer König, der im Namen Gottes regiert und die Menschen befreit, durchaus auch politisch. Und die Evangelien nach Markus, Matthäus und Lukas, die diese Episode berichten, sind sich über die Person Jesu einig. Petrus spricht im Namen seiner engsten Vertrauten: „Du bist der Christus, der Messias“. Auch von Martha, der Schwester von Maria und Lazarus, ist ein solches Messiasbekenntnis überliefert (Joh 11,27). Es ist der Glaube und das nachösterliche Bekenntnis der Gemeinde, der Kirche, die sich in Jesu Namen und zu seinem Gedächtnis versammelt, bis heute. Jesus selbst bezeichnet sich nur als den „Menschensohn“, im Jüdischen Bar-Enosch. Einer, der in einer Vision im Buch Daniel auf den Wolken des Himmels kommt. Oder, in einer Vulgärform von Bar-Enosch, „Barnasch“(3): ein Jedermann, ein Irgendwer, ein Mensch schlechthin. Ein Mensch, der als unser Bruder auf der Suche ist nach seiner Bestimmung. Der erlebt, dass eine heilende Kraft von ihm ausgeht, die viele Erwartungen weckt. Ein Mensch, der unterwegs ist, unbehaust, dem Leiden ausgesetzt. Ein Mensch, der tief in das Abenteuer des Glaubens an Gott eintaucht und die Frage nach seiner eigenen Existenz und ihrem Geheimnis stellt. Ein Mensch, der Gleichgesinnte um sich versammelt und doch seinen eigenen Weg auch ganz allein gehen muss. Diese Menschlichkeit zeichnet ihn aus und kann ihn uns nahebringen, selbst wenn wir ihn als den Christus verehren. Wer ist er also, der Menschensohn? Wer ist er für die Leute, wer ist er für seine engsten Vertrauten, wer ist er für dich und mich heute?


Ergänzender Text von Dietrich Bonhoeffer(4)

 

Glauben lernen

 

Später erfuhr ich und ich erfahre es bis zur Stunde, dass man erst in der vollen Diesseitigkeit des Lebens glauben lernt. Wenn man völlig darauf verzichtet hat, aus sich selbst etwas zu machen – sei es einen Heiligen oder einen bekehrten Sünder oder einen Kirchenmann (eine sogenannte priesterliche Gestalt!), einen Gerechten oder einen Ungerechten, einen Kranken oder einen Gesunden – und dies nenne ich Diesseitigkeit, nämlich in der Fülle der Aufgaben, Fragen, Erfolge und Misserfolge, Erfahrungen und Ratlosigkeiten leben, - dann wirft man sich Gott ganz in die Arme, … und so wird man ein Mensch, ein Christ.
 


Quellen:
1) Vgl. Josef Ratzinger, der 1975 festgestellt hat, dass es die Kirche war, die „das Amt derer gebildet [hat], die unter Gebet
und Handauflegung in die Nachfolge der Apostel gerufen werden“ – J. Ratzinger, Prinzipien christlicher Moral, Einsiedeln
1975.
2) Vgl. sein Buch: Braucht die katholische Kirche Priester? Eine Vergewisserung aus dem Neuen Testament. Würzburg
2022.
3) Vgl. Schalom Ben-Chorin: Bruder Jesus. Der Nazarener in jüdischer Sicht. DTV-Verlag 1967, 6. Auflage Juni 1983, S. 107-
114.
4) Verantwortung und Hingabe. Texte und Gebete von Dietrich Bonhoeffer, hg. v. Christian Zippert, Wuppertal / Gütersloh,
2. Aufl. 1995, S. 11 (Auszug).

 

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